Kapitel 5. Föderationsversammlung
Artikel 94
Die Bundesversammlung - das Parlament der Rußländischen Föderation - ist das Vertretungs- und Gesetzgebungsorgan der Rußländischen Föderation.
Artikel 95
1. Die Bundesversammlung besteht aus zwei Kammern: dem Bundesrat und der Staatsduma.
2. Dem Bundesrat gehören jeweils zwei Vertreter von jedem Subjekt der Rußländischen Föderation an: je einer von dem Vertretungs- und von dem Vollzugsorgan der Staatsgewalt.
3. Die Staatsduma besteht aus 450 Abgeordneten.
Artikel 96
1. Die Staatsduma wird auf vier Jahre gewählt.
2. Das Verfahren der Bildung des Bundesrates und der Wahl der Abgeordneten der Staatsduma werden durch Bundesgesetze festgelegt.
Artikel 97
1. Zum Abgeordneten der Staatsduma kann jeder Bürger der Rußländischen Föderation gewählt werden, der das 21. Lebensjahr vollendet hat und das aktive Wahlrecht besitzt.
2. Ein und dieselbe Person kann nicht gleichzeitig Mitglied des Bundesrates und Abgeordneter der Staatsduma sein. Ein Abgeordneter der Staatsduma kann nicht Abgeordneter anderer Vertretungsorgane der Staatsgewalt oder örtlicher Selbstverwaltungsorgane sein.
3. Die Abgeordneten der Staatsduma arbeiten hauptberuflich. Die Abgeordneten der Staatsduma dürfen weder im Staatsdienst stehen noch eine andere bezahlte Tätigkeit ausüben, ausgenommen eine lehrende, wissenschaftliche oder sonstige schöpferische Tätigkeit.
Artikel 98
1. Mitglieder des Bundesrates und Abgeordnete der Staatsduma genießen während der gesamten Dauer ihres Mandates Immunität. Sie dürfen nicht festgenommen, verhaftet oder durchsucht werden, außer bei Festnahme am Tatort, und keiner Leibesvisitation unterzogen werden, es sei denn, daß dies in einem Bundesgesetz zur Gewährleistung der Sicherheit anderer Menschen vorgesehen ist.
2. Über die Aufhebung der Immunität entscheidet auf Vorlage des Generalstaatsanwalts der Rußländischen Föderation die entsprechende Kammer der Bundesversammlung.
Artikel 99
1. Die Bundesversammlung ist ein ständig tätiges Organ.
2. 1 Die Staatsduma tritt am 30. Tag nach der Wahl zur ersten Sitzung zusammen. 2 Der Präsident der Rußländi-schen Föderation ist berechtigt, vor diesem Zeitpunkt eine Sitzung der Staatsduma einzuberufen.
3. Die erste Sitzung der Staatsduma eröffnet der nach Lebensalter älteste Abgeordnete.
4. Mit dem Beginn der Arbeit der Staatsduma der neuen Legislaturperiode erlöschen die Befugnisse der Staatsduma der vorherigen Legislaturperiode.
Artikel 100
1. Bundesrat und Staatsduma tagen getrennt.
2. 1 Die Sitzungen des Bundesrates und der Staatsduma sind öffentlich. 2 In von der Geschäftsordnung einer Kammer vorgesehenen Fällen ist diese berechtigt, geschlossene Sitzungen abhalten.
3. Zur Anhörung von Botschaften des Präsidenten der Rußländischen Föderation, von Botschaften des Verfassungsgerichts der Rußländischen Föderation oder Reden ausländischer Staatsführer dürfen die Kammern gemeinsam zusammentreten.
Artikel 101
1. Der Bundesrat wählt aus seiner Mitte den Vorsitzenden des Bundesrates und dessen Stellvertreter. Die Staatsduma wählt aus ihrer Mitte den Vorsitzenden der Staatsduma und dessen Stellvertreter.
2. Der Vorsitzende des Bundesrates und dessen Stellvertreter sowie der Vorsitzende der Staatsduma und dessen Stellvertreter leiten die Sitzungen und sind für den internen Arbeitsablauf der Kammer zuständig.
3. Bundesrat und Staatsduma bilden Komitees und Kommissionen und führen zu Fragen, die in ihre Zuständigkeit fallen, parlamentarische Anhörungen durch.
4. Jede der Kammern verabschiedet ihre Geschäftsordnung und entscheidet Fragen ihres internen Arbeitsablaufs.
5. Zur Ausübung der Kontrolle über den Vollzug des Bundeshaushaltes bilden Bundesrat und Staatsduma einen Rechnungshof, dessen Zusammensetzung und Verfahrensordnung durch Bundesgesetz bestimmt werden.
Artikel 102
1. Zur Zuständigkeit des Bundesrates gehören:
a) die Bestätigung der Änderung von Grenzen zwischen Subjekten der Rußländischen Föderation;
b) die Bestätigung eines Ukaz des Präsidenten der Rußländischen Föderation über die Verhängung des Kriegszu-standes;
c) die Bestätigung eines Ukaz des Präsidenten der Rußländischen Föderation über die Verhängung des Ausnah-mezustandes;
d) die Entscheidung über die Möglichkeit eines Einsatzes der Streitkräfte der Rußländischen Föderation außerhalb des Territoriums der Rußländischen Föderation;
e) die Ausschreibung der Wahlen zum Präsidenten der Rußländischen Föderation;
f) die Amtsenthebung des Präsidenten der Rußländischen Föderation;
g) die Ernennung von Richtern des Verfassungsgerichts der Rußländischen Föderation, des Obersten Gerichts der Rußländischen Föderation und des Obersten Arbitragegerichts der Rußländischen Föderation;
h) die Ernennung und Entlassung des Generalstaatsanwalts der Rußländischen Föderation;
i) die Ernennung und Entlassung des Stellvertreters des Vorsitzenden des Rechnungshofes und der Hälfte seiner Prüfer.
2. Der Bundesrat faßt Beschlüsse zu Fragen, für die er nach der Verfassung der Rußländischen Föderation zuständig ist.
3. Beschlüsse des Bundesrates werden mit der Stimmehrheit der Gesamtmitgliederzahl des Bundesrates gefaßt, sofern die Verfassung der Rußländischen Föderation kein anderes Beschlußverfahren vorsieht.
Artikel 103
1. Zur Zuständigkeit der Staatsduma gehören:
a) die Erteilung der Zustimmung an den Präsidenten der Rußländischen Föderation zur Ernennung des Vorsitzenden der Regierung der Rußländischen Föderation;
b) die Entscheidung der Vertrauensfrage der Regierung der Rußländischen Föderation;
c) die Ernennung und Entlassung des Vorsitzenden der Zentralbank der Rußländischen Föderation;
d) die Ernennung und Entlassung des Vorsitzenden des Rechnungshofes und der Hälfte seiner Prüfer;
e) die Ernennung und Entlassung des Menschenrechtsbeauftragten, der gemäß einem Bundesverfassungsgesetz tätig ist;
f) die Verkündung einer Amnestie;
g) die Anklageerhebung gegen den Präsidenten der Rußländischen Föderation zur Amtsenthebung.
2. Die Staatsduma faßt Beschlüsse zu Fragen, für die die nach Verfassung der Rußländischen Föderation zuständig ist.
3. Beschlüsse der Staatsduma werden mit der Stimmehrheit der Gesamtabgeordnetenzahl der Staatsduma gefaßt, sofern die Verfassung der Rußländischen Föderation kein anderes Beschlußverfahren vorsieht.
Artikel 104
1. Das Recht der Gesetzesinitiative steht dem Präsidenten der Rußländischen Föderation, dem Bundesrat, Mitgliedern des Bundesrates, Abgeordneten der Staatsduma, der Regierung der Rußländischen Föderation und gesetzgebenden (Vertretungs-) Organen der Subjekte der Rußländischen Föderation zu. Das Recht zur Gesetzesinitiative steht ferner dem Verfassungsgericht der Rußländischen Föderation, dem Obersten Gericht der Rußländischen Föderation und dem Obersten Arbitragegericht der Rußländischen Föderation in Fragen ihrer Zuständigkeit zu.
2. Gesetzentwürfe werden in der Staatsduma eingebracht.
3. Gesetzentwürfe über die Einführung oder Abschaffung von Steuern, die Steuerbefreiungen, die Auflage von Staatsanleihen, die Änderung finanzieller Verpflichtungen des Staates und andere Gesetzesentwürfe, die Ausgaben zu Lasten des Bundeshaushaltes vorsehen, können nur bei Vorliegen eines Gutachtens der Regierung der Rußländischen Föderation eingebracht werden.
Artikel 105
1. Bundesgesetze beschließt die Staatsduma.
2. Bundesgesetze werden mit Stimmehrheit der Gesamtabgeordnetenzahl der Staatsduma beschlossen, sofern die Verfassung der Rußländischen Föderation nichts anderes vorsieht.
3. Von der Staatsduma beschlossene Bundesgesetze werden innerhalb von fünf Tagen dem Bundesrat zur Behandlung zugeleitet.
4. Ein Bundesgesetz gilt als vom Bundesrat gebilligt, wenn mehr als die Hälfte der Gesamtzahl der Mitglieder dieser Kammer dafür gestimmt hat oder wenn es binnen vierzehn Tagen vom Bundesrat nicht verhandelt worden ist. Wird das Bundesgesetz vom Bundesrat abgelehnt, so können die Kammern einen Vermittlungsausschuß zur Überwindung der entstandenen Meinungsverschiedenheiten bilden, wonach das Bundesgesetz erneuter Verhandlung durch die Staatsduma unterliegt.
5. Ist die Staatsduma mit der Entscheidung des Bundesrates nicht einverstanden, so ist das Bundesgesetz beschlossen, wenn bei der erneuten Abstimmung nicht mindestens zwei Drittel der Gesamtabgeordnetenzahl der Staatsduma dafür stimmen.
Artikel 106
Der notwendigen Verhandlung im Bundesrat unterliegen durch die Staatsduma beschlossene Gesetze über Fragen:
a) des Bundeshaushalts;
b) der Bundessteuern und -abgaben;
c) der Regelung von Finanz-, Währungs-, Kredit- und Zollangelegenheiten sowie der Geldemission;
d) der Ratifizierung und Kündigung völkerrechtlicher Verträge der Rußländischen Föderation;
e) des Status und Schutzes der Staatsgrenze der Rußländischen Föderation;
f) von Krieg und Frieden.
Artikel 107
1. Das beschlossene Bundesgesetz ist innerhalb von fünf Tagen dem Präsidenten der Rußländischen Föderation zur Unterzeichnung und Verkündung zuzuleiten.
2. Der Präsident der Rußländischen Föderation unterzeichnet und verkündet das Bundesgesetz innerhalb von vierzehn Tagen.
3. Lehnt der Präsident der Rußländischen Föderation das Bundesgesetz innerhalb von vierzehn Tagen ab Eingang ab, so behandeln Staatsduma und Bundesrat das vorliegende Gesetz erneut in dem von der Verfassung der Rußländischen Föderation vorgesehenen Verfahren. Wird das Bundesgesetz bei erneuter Verhandlung in der vorher beschlossenen Fassung mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der Stimmen der Gesamtmitglie-derzahl des Bundesrates und der Gesamtabgeordnetenzahl der Staatsduma gebilligt, so ist es innerhalb von sieben Tagen vom Präsidenten der Rußländischen Föderation zu unterzeichnen und verkünden.
Artikel 108
1. Bundesverfassungsgesetze werden zu den von der Verfassung der Rußländischen Föderation vorgesehenen Fragen verabschiedet.
2. Ein Bundesverfassungsgesetz ist beschlossen, wenn es mit einer Mehrheit von mindestens drei Viertel der Stimmen der Gesamtmitgliederzahl des Bundesrates und mindestens zwei Drittel der Stimmen der Gesamtabgeordnetenzahl der Staatsduma gebilligt worden ist. Das beschlossene Bundesverfassungsgesetz ist innerhalb von vierzehn Tagen vom Präsidenten der Rußländischen Föderation zu unterzeichnen und zu verkünden.
Artikel 109
1. Die Staatsduma kann in den Fällen, die in den Artikeln 111 und 117 der Verfassung der Rußländischen Föderation vorgesehen sind, vom Präsidenten der Rußländischen Föderation aufgelöst werden.
2. Im Fall der Auflösung der Staatsduma bestimmt der Präsident der Rußländischen Föderation das Datum für Neuwahlen so, daß die neu gewählte Staatsduma spätestens vier Monate nach der Auflösung zusammentritt.
3. Die Staatsduma kann innerhalb des ersten Jahres nach ihrer Wahl nicht aus den in Artikel 117 der Verfassung der Rußländischen Föderation vorgesehenen Gründen aufgelöst werden.
4. Die Staatsduma kann vom Zeitpunkt, in dem sie Anklage gegen den Präsidenten der Rußländischen Föderation erhoben hat, bis zur Verabschiedung einer entsprechenden Entscheidung durch den Bundesrat nicht aufgelöst werden.
5. Während des Kriegs- oder Ausnahmezustandes auf dem gesamten Territorium der Rußländischen Föderation sowie während der letzten sechs Monate vor Ablauf der Amtsperiode des Präsidenten der Rußländischen Föde-ration kann die Staatsduma nicht aufgelöst werden.
|